Tiefurt.Kultur 2024

Tiefurt

Tiefurt ist ein ganz besonderer Ort. Der wunderbar großzügige Park, den Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach ab 1781 im Bogen des Flüsschens Ilm anlegen ließ, atmet Harmonie und Schönheit. Viele Besucher spüren den „Geist des Ortes“, der aus den historisch bedeutsamen Zeiten noch erhalten geblieben zu sein scheint. In dem unauffälligen Schlösschen, welches aus dem Pächterhaus des herzoglichen Kammerguts entstanden ist und zunächst von Prinz Constantin (dem jüngeren Bruder von Herzog Carl August) bewohnt wurde, verbrachte Anna Amalia bis 1806 ihre Sommer. Hier hielt sie ihre berühmte Tafelrunde ab zu der viele Gelehrte und Künstler nach Tiefurt kamen, und gab sogar eine eigne Zeitschrift – das „Tiefurter Journal“ – heraus (von dem es seit einigen Jahren hier eine Neuauflage gibt). Im Park wurde Theater gespielt: Legendär ist die Erstaufführung von Goethes Singspiel „Die Fischerin“ 1782 mit der Schauspielerin Corona Schröter in der Hauptrolle.

St. Christophoruskirche

Adresse: An der Kirche 2, Tiefurt

St. Christophoruskirche Tiefurt

Die Evangelisch-Lutherische Christophoruskirche wurde vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet. Aus dieser Zeit stehen noch die Außenmauern und der steinerne Altartisch mit seiner Bodenplatte. Überlieferungen zufolge wurden Teile der Kirche während des Dreißigjährigen Krieges zerstört.
1715/16 wurde sie, auf Veranlassung des Herzogs, im barocken Stil restauriert und umgestaltet. Als Vorbild diente die später abgebrannte Weimarer Schlosskirche „Himmelsburg“, weswegen auch das Zitat „Weg zur Himmelsburg” über der Kirchenpforte zu lesen ist. Johann Sebastian Bach musizierte hier als Hoforganist und Konzertmeister des Weimarer Hofes, Franz Liszt hielt hier unzählige Male seine „Orgelconferenzen” ab, bei denen er den Tiefurter Kantor Alexander Wilhelm Gottschalg unterrichtete und mit ihm musizierte.

1776 wird die Tiefurter Kirche Zweitgeborenen Residenzkirche des Prinzen Constantin.

Sehenswert und eher ungewöhnlich ist der „Palmen-Altar“, der von vier Palmstämmen umgrenzt wird. Die Palme symbolisiert unter anderem den neuen lutherischen Verkündigungsauftrag. Möglicherweise verweisen sie aber auch auf die Landesherren, die dem 1677 gegründeten „Palmorden“ angehörten. Die etwas schrille Farbgebung des Altars in gold und grün löst bei Besuchern manchmal Irritationen aus. Pastor Krause betonte aber immer, dass hier die originalen Farben historisch getreu restauriert wurden. Durch die großen Glasfensterscheiben, die später links und rechts des Altars eingesetzt worden waren, ist der Altarraum heute viel heller als damals und so wirken die Farben heute etwas unnatürlich. Damals hingegen seien sie hauptsächlich von Kerzen erleuchtet worden und das Gold hätte dadurch wärmer und erhabener gewirkt.

Die pneumatische Orgel stammt aus dem Jahr 1909, hat 2 Manuale und 17 Register und erklingt sowohl zu den Gottesdiensten als auch hin und wieder bei den Tiefurter Montagsmusiken.

Baumaßnahmen:
1980 – 1982: Renovierung unter der Leitung von Horst Jährling mit dem Versuch das dunkel übermalte barocke Dekor wieder herzustellen
2011: kompletter Dachneubau
2018- 2021: Erneuerung Fußboden, Restaurierung des Kanzelaltars, der Apostelgalerie und des Orgelprospektes

Alte Mühle Tiefurt, Kaminsaal

Adresse: Hauptstraße 19 a, Tiefurt

Alte Mühle Tiefurt, Kaminsaal

Funde bis in die jüngere Altsteinzeit hinein belegen die guten Siedlungsbedingungen im Tiefurter Ilmbogen. Doch erst die Römer brachten die Technik der Wassermühlen mit nach Deutschland.
Im Jahr 1311 wurde erstmals in einem Lehenbrief eine Wassermühle erwähnt. Diese wurde im Zuge der „Thüringer Grafenkriege“ im Jahr 1344 zerstört und an derselben Stelle wieder aufgebaut. 1533 wird im Kirchenbuch eine Getreidemühle erwähnt.
Während der „Thüringer Sintflut“ am 29. Mai 1613 wurde auch die Mühle Tiefurt in Mitleidenschaft gezogen und im Jahr 1691 fiel sie einem Feuer zum Opfer. Als Getreide Mühle wurde sie wieder aufgebaut und 1732 schließlich, mit der Erlaubnis des Herzogs Ernst August I. um den Anbau einer Ölmühle erweitert. Hier arbeiteten fortan Oehler, Mahlmüller, Mühlknappen oder Zugknechte. Ende des 18. Jahrhunderts kam eine Kartenfabrik dazu mit Papiermachern, Kartenmachern, Kupferstechern und Druckern. Danach sank die Bedeutung der Mühle drastisch. Warum das so war, ist nicht überliefert. Das Gebäude war dem Verfall so nahe, dass es samt den dazugehörigen Äckern verkauft wurde.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Mühle Tiefurt zu einer Papiermühle ausgebaut. Damals trieb noch ein doppeltes Wasserrad den Betrieb an. Der zunehmenden Industrialisierung geschuldet wurde 1899 eine innenliegende Turbine installiert. Aus der Mühle wurde eine Karton- und Kartonagenfabrik.
1919 führte die Familie Hüfner die Mühle weiter. Sie spezialisierten sich auf die Herstellung von Matrizenpappen, die wichtiger Bestandteil des Buchdrucks waren. Nach dem Tod des Inhabers 1935 wurde die Mühle verpachtet und 1944/45 wurde der Betrieb kurzzeitig eingestellt, bis sie im Oktober 1945 durch die Familie Kunert übernommen wurde. Die Produktion von Graupappen mit 20 Beschäftigten lief, nach Verstaatlichung, bis 1990. In den Jahren 1970 und 1972 wurde das Wehr durch Hochwasser zerstört und die Turbine verschlammte. Mit zugekauftem Strom wurde jedoch weiter produziert. Die Wende und das Hochwasser 1994 brachten schließlich das Ende der Tiefurter Pappenbude und wieder war sie dem Verfall Preis gegeben.

1998/99 erwarb eine Investorengemeinschaft der Familien Bokemeyer neben dem Kammergut auch das Areal der Mühle Tiefurt um daraus eine betreute Wohnanlage mit Gemeinschafts- und Begegnungsflächen zu schaffen.
Zum Grundstück der Hauptstr. 19a gehören das Gebäude der „Alten Mühle“, das „Inselhaus“, die „Kreativscheune“ und die Tiefurter „Ilm-Insel“ mit 6.000m² Fläche.
In der Mühle entstanden 12 Wohneinheiten. Dort, wo einst eine große Stahlkugel (Kocher) Papierbrei produzierte, ist heute ein Schwimmbad für die Bewohner der Stiftung wohnen plus…
Die frühere Werkhalle, neben dem wieder in Betrieb genommenen Turbinenraum wird als Kaminsaal zum Musizieren und Feiern genutzt.
Der ehemalige Sommer-Trockenschuppen (für die Pappen) wurde zu einer „Kreativscheune“ und der kleinere Winter-Trockenschuppen zu einem Wohnhaus „Inselhaus“ umgebaut.

Ilm-Insel

Die naturbelassene Ilm-Insel mit ihrem üppigen Baumbestand wird seit 2018 als Veranstaltungsort des Kultursommers genutzt. In der damals einsetzenden Trockenphase untersagte die Klassikstiftung Weimar die damals sehr beliebten Aufführungen des Tiefurter Sommertheaters im Lindenrondell im Tiefurter Park. Das damalige Team musste sich schnell um einen Ersatzspielort bemühen und war dem Eigentümer der Ilm-Insel Reinhard Bokemeyer sehr dankbar, diese für Veranstaltungen im Sommer nutzen zu dürfen.
Eine mobile Theaterbühne und eine Zuschauertribüne, welche unterschiedlich bestuhlt werden kann, wurde vom Eigentümer Reinhard Bokemeyer errichtet.

Die Insel liegt versteckt hinter der Alten Mühle Tiefurt und ist nach wie vor Privateigentum. Sie wird nur im Sommer für die Veranstaltungen des Tiefurter Kultursommers für die Öffentlichkeit geöffnet.

Zu erleben sind dort lauschige Sommerabende an der rauschenden Ilm in einer geradezu magischen Naturatmosphäre. Der Spielort wird vom Publikum ganz besonders geschätzt und die Veranstaltungen sind immer sehr gut besucht.

Festscheune, Alte Remise

Adresse: Im Kammergut, Hauptstr. 14, Tiefurt

Festscheune Tiefurt (Alte Remise)

Das Kammergut Tiefurt war im 16. Jahrhundert ursprünglich das Pächterhaus des Schlosses Tiefurt und herzogliches Kammergut. Von 1814 bis 1829 firmierte es als „Landwirtschaftliches Institut Tiefurt“. Daran erinnern die Schafbrücke im Ilmpark, die Bäckerei und die Gaststätte Alte Remise.
Das Landwirtschaftliche Institut in Tiefurt wurde am 1. April 1814 von dem Jenaer Professor Karl Christoph Gottlieb Sturm als „Institut zur Bildung junger Landwirte“ ins Leben gerufen. Es war das erste seiner Art in Deutschland, das mit einer Universität verbunden war. Die Ausbildung erfolgte nicht allein auf dem Tiefurter Kammergut, sondern auch in den herzoglichen Kammergütern Lützendorf und Kammergut Oberweimar. In Tiefurt betrieb man Schäferei, woran u. a. die bereits erwähnte Schafbrücke im Tiefurter Park erinnert.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde es zum Staatsgut ernannt, nach dem zweiten Weltkrieg im Zuge der Bodenreform unter Neubauern aufgeteilt um anschließend eine LPG zu werden. Durch die verschiedensten An- und Umbauten verlor es seinen ursprünglichen Charme und der Gesamteindruck war insgesamt eher etwas traurig.
Die Bemühungen der Stadtplanung Weimar, das Grundstück an einen Investor zu vergeben waren anfangs nicht erfolgreich. Im Jahr 1998 erwarben die Brüder Reinhard und Michael Bokemeyer die städtischen Teilflächen samt der darauf befindlichen Gebäude. Im Januar 2000 wurde das Richtfest für die neu entstehende Wohnunganlage im ehemaligen Kuhstall gefeiert und im Juni zog die erste Bewohnerin ein.

Parallel dazu entstanden die Gaststätte „Alte Remise“, der Kindergarten, der Feuerwehrstützpunkt Tiefurt, eine Bäckerei und das Verwaltungsgebäude der Stiftung wohnen plus…
Aus der ehemaligen Scheune des herzoglichen Kammergutes wurde die „Festscheune“ des Ortsteils. Diese wird von der Gaststätte bewirtschaftet und sowohl dem Ort Tiefurt, als auch dem WIR e.V. als Veranstaltungsort zur Verfügung gestellt.

Quellen: Tiefurt Journale Nr.1/4/6/7, Chronik Tiefurt